Mittwoch, 6. Januar 2010

Grüne- Funktionär Vollmer im Gespräch über seine Partei

Ludger Vollmer, Funktionär der Grünen, hat in einem Gespräch mit der Jungen Welt zugegeben, dass die Grünen eine Lobby- Partei des Kapitals sind. Bemerkenswert ist auch, dass Vollmer den Angriffskrieg auf Jugoslawien nicht nur beschönigt, sondern nachträglich längst als Kriegspropaganda enttarnte Lügen (vermeintlicher "Völkermord") für dessen Rechtfertigung äußert. Vollmer äußert nichts Neues darüber, was Eingeweihte ohnehin schon wußten. Und doch ist es zumindest für Grüne- Wähler ein Fußtritt in ihr farbloses Gesicht, da die Äußerungen Vollmers, die der Grünen- Realität entsprechen, eine klare Absage am gewohnten Gutmenschentum der Grünen- Wähler sind.

»Die Grünen haben sich in eine Zwickmühle manövriert«
Ein ehemaliger Vorsitzender tut so, als ob er mit seiner Partei abrechnet. Eigentlich findet er deren schlimmste Fehler gut. Gespräch mit Ludger Volmer
Interview: Gitta Düperthal
 
Ludger Volmer war von 1991 bis 1994 Parteichef der Grünen und während der ersten rot-grünen Regierung von 1998 bis 2002 Staatsminister im Auswärtigen Amt

Dreißig Jahre Grüne: Passend zum Geburtstag werfen Sie Ihren Mitstreitern in einem Buch vor, alle linken und sozialökologischen Ideale über Bord geworfen zu haben und statt dessen eine Art grüner FDP geworden zu sein. Die Kritik ist ja nicht neu – warum rechnen Sie erst jetzt ab?

Ich rechne überhaupt nicht ab und werfe meinen Freunden nichts vor, sondern versuche, grüne Geschichte nachzuzeichnen. Ich wollte Entwicklungen und Kontroversen aufnehmen sowie allen Personen, die dafür standen – einschließlich mir selber – gerecht werden. Ich habe formuliert, vor welchen wesentlichen Richtungsentscheidungen die Grünen stehen, die sich im Fünf-Parteien-System entscheiden müssen: Ob sie sich als Funktionspartei der Mitte sehen, die nach allen Seiten koalitionsfähig ist, oder ob sie ihrer Gründungsphilosophie treu bleiben, nämlich dem ökologischen Humanismus.

Aber Sie konstatieren den Niedergang linker Politik bei den Grünen…
 
Ja, es gab eine Verschiebung vom einst sozialökologischen Profil der Grünen zu liberalökologischen Standpunkten. Das hat bürgerliche Schichten angesprochen und andere Akteure angezogen – wiederum andere hat das abgestoßen. Insofern haben sich die Grünen in eine Zwickmühle manövriert.

Wer ist daran schuld: Exaußenminister Joseph Fischer, der mit dem Kosovo-Krieg das Tabu der ehemals friedensorientierten Partei gebrochen hat, die schwarz-grünen Koalitionen gegenüber offene Renate Künast – oder etwa der linke Flügel, der sich ohne Not vereinnahmen ließ?

Ich will nicht von Schuld sprechen. In Parteien gibt es immer Richtungsfragen, und es bilden sich Strömungen und Zirkel, die für unterschiedliche Optionen stehen. Die sogenannten Realos haben die Verschiebung zur bürgerlichen Mitte angestrebt. Viele Linke haben es ihnen auch einfach gemacht – nicht etwa dadurch, daß sie sich haben einbinden lassen, sondern indem sie linke Positionen bezogen haben, die völlig irreal und unhaltbar waren. Zum Beispiel zum Kosovo-Krieg.

Was meinen Sie damit?

Diejenigen, die sagen, Fischer hätte mit dem Kosovo-Krieg grüne Identität verraten, irren meines Erachtens fundamental. Wie jedermann weiß, habe ich mit Fischer Differenzen ausgetragen – ich finde jedoch, daß er eine ausgezeichnete Außenpolitik gemacht hat.

Heißt das etwa, Sie wollen den Kosovo-Krieg selbst im nachhinein noch als richtig bezeichnen?

Ich habe versucht zu verdeutlichen, daß man Interventionen differenziert betrachten muß: Danach, ob sie legal oder legitim sind – diese Ebenen darf man nicht miteinander verwechseln. Der Kosovo-Krieg war nach dem Völkerrecht nicht legal – dennoch war er legitim, weil nach dem Scheitern der Verhandlungen von Rambouillet nur so ein Völkermord zu verhindern war. In dieser Zwickmühle zu entscheiden, haben sich die Grünen schwergetan.

So sehen Sie das. Sie werfen aber bürgerlichen Medien vor, die Partei mit ihrer Berichterstattung in die von Ihnen so benannte Mitte getrieben zu haben …

Zunächst wurden die Grünen von den Medien verhöhnt und beschimpft – später haben sie darauf geachtet, in ihnen gut rüberzukommen, einzelne Personen haben dabei sogar eine Art Pop-Star-Kult gepflegt. So ist meiner Ansicht nach Substanz verlorengegangen.

Warum haben Sie Ihr Buch ausgerechnet beim konservativen und strikt marktwirtschaftlich orientierten Bertelsmann-Verlag veröffentlicht?

Ein anderer Verlag hat mir so ein Buchprojekt nicht angeboten.

Sie schreiben sinngemäß: Der Abschied der Grünen von linken ­Ideen hat das Erstarken der Linkspartei in westdeutschen Ländern erst möglich gemacht. Wird Die Linke Ihrer Ansicht nach einen ähnlichen Weg gehen wie die Grünen?



Ich weiß nicht, wie sich die Linke entwickeln wird. Aber wenn Sie sich an Regierungen beteiligen will, wird sie realistischer werden müssen – so wie in Berlin.

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