Mittwoch, 29. Dezember 2010

Merkel an der Afghanistan- Front

 
Wir haben hier nicht nur kriegsähnliche Zustände, sondern Sie sind in Kämpfe verwickelt, wie man sie im Krieg hat", sagte die Bundeskanzlerin. 
Sie sagte zwar "Krieg", aber nur zum Vergleich. Und doch nähern sich die Vergleiche den realen Ereignissen beachtlich. Vorgestern waren es noch "humanitäre Hilfseinsätze" - gestern noch "kriegsähnliche Kampfeinsätze".
"Das ist für uns eine völlig neue Erfahrung. Wir haben das sonst von unseren Eltern gehört im Zweiten Weltkrieg." Das sei aber eine andere Situation gewesen, weil Deutschland damals Angreifer war
Heute ist Deutschland kein Angreifer, da "seine" Freiheit am Hindukusch verteidigt wird? Das ist Ansichtssache.
Doch selbst, wenn man an die offizielle Mär über 9/11, also an Osama und seine Teppichmesserbande glaubt - Afghanen wurden nicht als vermeintliche Täter präsentiert. Zur Erinnerung - das war der vorgebliche Kriegsgrund. Oder haben die nur den Hindukusch mit Mekka oder dem Nil verwechselt? Wundern würde es nicht...
Ohne Sie [NATO- Söldner] könnten wir nicht so sicher leben, und das müssen wir den Menschen auch sagen." Zur ablehnenden Haltung vieler Bundesbürger zum Einsatz sagte die Kanzlerin: "Die Bevölkerung sieht diesen Einsatz zum Teil skeptisch, und trotzdem ist sie stolz auf Sie."
Zitate aus Zeit.de 
"Sie" können uns das noch so oft sagen, ob es deshalb glaubwürdig wird, bleibt "uns" überlassen. Denn das Gegenteil ist der Fall. Der Afghanistan- Krieg gefährdet unsere Sicherheit. Noch gab es keine Terroranschläge von Afghanen. Nirgends.
 
Die "wandelnde Sprechblase"  schwatzt davon, daß ein "Teil der Bevölkerung" den Krieg "skeptisch sieht".
Es ist der weit größere Teil der Bevölkerung, der diesen Krieg ablehnt. Mit skeptisch (umgspr. zweifeln, misstrauisch) hat dies nichts gemein.
Nicht ohne Grund könnte man meinen, diese Dipl.- Physikerin weiß nicht um die Bedeutung des Wortes. Aber andererseits kann man einer Dipl.- Physikerin unterstellen, daß sie hier absichtlich ein Wort verfremdend benutzt.
Der Skeptiker ist wörtlich übersetzt ein "Ausschau haltender" oder ein "Untersuchender". Analog zum Wort "Kritik" (wörtlich: unterscheiden, trennen), das mit "allumfassendes Denken", "die Kunst der Beurteilung" oder dem "Auseinanderhalten von Fakten" übersetzt wird, haben wir es hier mit Begriffe zu tun, die im engen Zusammenhang mit der Vernunft stehen. Ja, die Voraussetzung für die Vernunft sind. Deshalb verwundert es nicht, wenn diese Worte im orwellschen Sinn ins Negative umgedeutet werden. Der Skeptiker wird zum "Ablehner" und "Verneiner" - der Kritiker zum "Nörgler" und "Verneiner" um- und abgewertet.

Nehmen sie ihr Umfeld bewusst wahr, dann werden sie noch mehr ursprünglich positiv besetzte Begriffe finden, die ins Negative gedeutet wurden. Dahinter steckt Methode, auch wenn diese für den nachplappernden Massemenschen unsichtbar bleiben wird.

Die Menschen lehnen zum überwiegenden Teil den Afghanistan- Krieg ab. Wer von denjenigen soll stolz auf die NATO- Söldner sein?
Hier haben wir es nicht mit orwellschen Neusprech zu tun, sondern mit einer Lüge.

1 Kommentar:

  1. Neun Jahre Verharmlosung seien vorbei, hieß es, obwohl nur »wie im Krieg« gesagt worden war. Allzu weit entfernte sich die Oberkommandierende damit nicht von früheren Sprachregelungen wie »Friedensmission« (Gerhard Schröder/Joseph Fischer), »Stabilisierungseinsatz« (Franz Josef Jung) oder »kriegsähnlicher Konflikt« (Karl-Theodor zu Guttenberg). Weniger Beachtung fand eine andere Aussage der Kanzlerin, die von Nachrichtenagenturen so wiedergegeben wurde: »›Das ist für uns eine völlig neue Erfahrung: Wir haben das sonst von unseren Eltern gehört im Zweiten Weltkrieg‹, sagte Merkel. Das sei aber eine andere Situation gewesen, weil Deutschland damals der Angreifer gewesen sei.« Nach neun Jahren Beteiligung an einem Angriffskrieg ist demnach für »uns« die Kriegserfahrung »völlig neu«, sind nicht »wir« die Angreifer, sondern Afghanistan.

    Arnold Schölzel, (Junge Welt v. 24.12.10)

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