Mittwoch, 26. Januar 2011

Steuerfahnder bekommen keine Akteneinsicht

Wie sieht dieser Fall erst aus, wenn selbst die Industriemedien so eindeutig werden?

(c) Frankfurter Rundschau
Erst durften die Fahnder die Akten lesen, dann nahm man sie ihnen weg. Foto: M. Schick

Dunkelheit statt Aufklärung: Der Vorsitzende des Steuerfahnder-Untersuchungsausschusses, Leif Blum (FDP), verweigerte den vier zwangspensionierten Steuerfahndern die Einsicht in wichtige Akten.
Untersuchungsausschüsse gehören zu den schärfsten Kontrollmitteln des Landtags gegenüber der Regierung“, heißt es in der Selbstdarstellung des Hessischen Landtags. Sie „dienen dem Zweck, Vorkommnisse in Politik und Verwaltung, die als Missstände, Affären oder Skandale wahrgenommen werden, aufzuklären“. Soweit die Theorie. 
Die Zwangspensionierung von vier Steuerfahndern, die mit falschen psychiatrischen Gutachten zu „paranoiden“ Querulanten abgestempelt wurden, nachdem sie im Schwarzgeldskandal der CDU und gegen große Banken ermittelt hatten, wird in Hessen als Skandal wahrgenommen. Doch hat das Parlament wirklich versucht, den Fall aufzuklären?Vom Hessischen Landtag wird am 28. Januar 2010 der Untersuchungsausschuss „UNA 18/1“ eingesetzt. Sein Auftrag: aufklären, ob die Steuerfahnder gezielt aus dem Dienst entfernt wurden, weil sie Kritik an der Bearbeitung von Steuerhinterziehungsfällen in Hessen geäußert hatten. 
Doch warum wurde in 14 Sitzungen bis heute kein einziger Zeuge gehört? Die Öffentlichkeit erfuhr zuweilen davon, dass CDU und FDP den Fokus der Untersuchung gegen die Fahnder richten wollten und dass SPD und Grüne dagegen vor dem Staatsgerichtshof klagten, der bis heute kein Urteil gesprochen hat. Wegen der komplexen Verfahrensfragen habe der Ausschuss keine Zeugen vernehmen können, heißt es offiziell. Doch das ist unwahr, wie Dokumente beweisen, die der FR vorliegen.
Am 27. Oktober 2010 erscheinen die vier Fahnder Rudolf Schmenger, Marco Wehner sowie Heiko und Tina Feser um 15 Uhr im Hessischen Landtag. Sie wollen als Zeugen baldmöglichst aussagen und sind an diesem Tag offiziell eingeladen, um Einsicht in die Akten des Untersuchungsausschusses zu nehmen. Doch die Sache gestaltet sich schwierig. Erst verweigert ein Assistent des Ausschussvorsitzenden Leif Blum (FDP) dem Anwalt der Fahnder, Otto Jäckel, den Zutritt zu den Akten. Erst nach einem Disput darf der Anwalt eintreten.
Den Fahndern und Anwalt Jäckel wird dann ein Konvolut von Leitzordnern hingestellt. In den Akten befinden sich unzählige Schriftstücke, welche die Fahnder direkt betreffen: Petitionen, Personalakten, Vermerke der Finanzverwaltung und vieles mehr. Die Fahnder beginnen zu lesen. Gegen 16.20 Uhr nimmt der Assistent den Fahndern einen großen Teil der Ordner plötzlich wieder ab. Es handelt sich um die Ordner V 7 bis 9 „Aussagegenehmigung P 1012 B-430.01/05, Band I-V“ sowie den Ordner V10 „Petition“ P 10038-430.01/05, 1. Band. Die Steuerfahnder können sich die merkwürdige Aktenentfernung nicht erklären und bitten über ihren Anwalt am 28. Oktober 2010 erneut um Akteneinsicht. FDP-Politiker Blum antwortet als Ausschussvorsitzender am 1. November, er könne dem Gesuch „nicht entsprechen“. Den Fahndern stehe „hinsichtlich dieser Akten kein Akteneinsichtsrecht zu“. Nach den „Geheimschutzregelungen“ seien Zeugen nur zur Einsicht in Akten befugt, „die für ihre Vernehmung relevant sind“. Was relevant ist, bestimmt in diesem Fall Blum offenbar allein .
„Das höre ich zum ersten Mal“, sagt Ausschuss-Mitglied Norbert Schmitt (SPD). „Es ist eine Unverschämtheit, dass Blum den Ausschuss nicht informiert hat“, sagt er. „Blum hat seine Funktion missbraucht, er hat eine Informationspflicht gegenüber den Abgeordneten.“ Schmitt will die Untersuchung trotz der Klagen der Fahnder fortsetzen. „Das hat sich nicht erledigt. Die politische Verantwortung muss geklärt werden.“
FDP sah Fall früher kritisch
Noch im Jahr 2006 setzte sich die hessische FDP als Oppositionspartei entschieden für eine Rehabilitierung der Fahnder ein. Der FDP-Politiker Roland von Hunnius sagte damals, bei den vielen Unregelmäßigkeiten in der Fahnder-Affäre glaube er nicht an „eine zufällige Verkettung“. Bewerbungen der Fahnder seien auf dem Dienstweg „verloren“ gegangen und Akten des Finanzministeriums seien selbst dem Landtag „nicht bereitgestellt“ worden. 
Blum ließ mitteilen, er habe wegen der Klage der Fahnder nun einige Akten ans Frankfurter Landgericht versandt. Welche Auswirkungen der Prozess auf den Ausschuss habe, sei „noch nicht absehbar“. Er habe eine Prüfung „beauftragt“. Auch die Dauerpause ohne Zeugenvernehmungen diene jedenfalls stets der „Erfüllung des verfassungsrechtlichen Untersuchungsauftrags“.
  

2 Kommentare:

  1. Der Skandal wird immer grösser! Politik und Ganoven sind eine Einheit, welche viel zu vertuschen haben

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  2. @navy
    Weshalb "Politik und Ganoven"? :-)

    Diesbezügliche Literaturempfehlung:
    William J. Chambliss "Eine kriminelle Vereinigung";
    Dieses Buch des kalifornischen Professors ist etwas älter, aber nach wie vor aktuell. Es räumt mit den gängigen Klischees über die "Mafia" auf, die uns gern und bewusst aufgetischt werden.
    Ich kann Chambliss Aussagen nur bestätigen.

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